Zwei Schauplätze – ein Feiertag. Beim einen die Idealisten am Ring, die kämpfen für sich und die anderen. Für die, die im Prater Loopings schlagen und den idealen Feiertag genießen ‒ mit Sonnenschein, Langos, Luftballons.

Text: Mascha K. Horngacher
Fotos: Bernhard Wolf


U-Bahn Station Praterstern: Eine Masse strömt zu Unzähligen aus der Erde hinaus und hinein ins vermeintliche Vergnügen. Reize wohin man sich dreht und wendet. Panflöten-Musik heißt uns willkommen und wird das Zarteste die nächsten Stunden sein. Wir schlängeln durch eine geile Atmosphäre von Frittierfett, geschmolzenem Zucker, heißem Plastik und Frühlingsgefühlen; vorbei an langen Schlagen vor Bankomaten, Toiletten und Spießen mit Gewerkschafts-Grillhendln und roten Politikern, die ihre Pflicht erfüllen. Die Liegen im lichtdurchfluteten Rotkreuz-Zelt sind einladend und leer, die Wiese davo­r belegt mit müden Obdachlosen.

Im blauen Himmel gondeln entflohene Luftballons über das Pratergelände. Sie heben ab vom Rauf und Runter aktueller und vergangener Hits, dem Rauf und Runter der Attraktionen: Turbo Booster, schwarze Mamba, Dizzy Mouse, Space-Shot, Tornado und wie sie alle heißen.

Es ist ein Bimmeln und Brummen, ein Treiben und Schieben. Weinende Kleinkinder und auch ich wurde fast hysterisch in diesem Tumult aus Hunden, Kindern mit blauen Lippen,  Pubertierenden und ihren Erziehern; ich fliehe in die Geisterbahn. Von der auch Joseph Roth zu erzählen wusste:

Es gab in meiner Jugend, auch die sogenannte „Schreckenskammer“. Man rollte, auf kleinen Wägelchen, von süßen Geschöpfen begleitet, an höllischen Überraschungen aus Pappe vorbei, an gefräßigen Krokodilen und feuerspeienden Drachen, an gehörnten Teufeln mit herausgestreckten roten Zungen und behaarten Schwänzen, die steil und dennoch geringelt, in einer geringelten Steifheit sozusagen, aus feurigen Hosen ragten. Es gab das Fegefeuer, bestehend aus bengalisch erleuchtetem Papier, tausendfach gezacktem, den Oberteufel, der grinsen einen dreizackigen Spieß den Vorbeifahrenden entgegeneilt, und schließlich Luzifer, den Herrn der Hölle, der, gewaltig, groß, trotz seiner ganzen, gewissermaßen negativen Erhabenheit, die Sünden nicht zu verhindern vermochte, die wir eben, an ihm vorbeirollend, im Begriffe waren, mit unseren lieben Begleiterinnen zu begehen, die in wollüstiger Angst zu schreien liebten – aus Freude an der Sünde, aber auch Freude am Schrei …

Die Erzählung stammt vermutlich aus der Zeit des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn. Das Wechselspiel der Sprachen heute zeugt wieder einmal von der Melange Österreichs Bevölkerung ‒ vereinigt in der Freude an diesem arbeitsfreien Tag.

Hier geht´s zum Schauplatz eins: Hoch lebe der 1. Mai Vol. 1