Glanz & Gloria, die Sache mit der peruanischen Mafia, dem fliegenden Koks-Teppich und das Puzzle einer Familie: die wilde Geschichte des Spreeparks Plänterwald und der Pächter Witte.

Text und Fotos: Mascha K. Horngacher

Es war mein erster Besuch in Berlin. In Schwechat machte ich mir Gedanken, was ich finden werde. Gegensätze, davon war ich überzeugt, die finden sich überall: Horizontale und Vertikale, Arme und Reiche, Verfall und Luxus. Berlin hat mich nicht enttäuscht; und die Geschichte des Spreeparks Plänterwald, dem einstigen Vergnügungspark der Ostberliner, sowie die Geschichte der Pächterfamilie Witte. Sie veranschaulichen, wie nah Verfall und Schönheit beieinander liegen.

Ein Park voll Stimmung
Ein schöner Apriltag. Wir fahren mit den Fahrrad die Spree entlang, durch den Laubwald und ketten die Räder ans verwitterte Gitter des Spreeparks. Neben dem zerschließenem Lageplan des Parks steht ein angesprayter Dinosaurier und guckt grantig. Die Karte zeigt 33 Möglichkeiten zum Vergnügen: Kleine Wasserbahn
„Wild River“, Wildwasserbahn „Gran Canyon“, Mega-Looping, Fun Express, Altberliner Oldtimerfahrt, Fliegender Teppich… Doch das war einmal. Der Spreepark ist seit 2001 geschlossen. Nur das Riesenrad mit seinen bunten Gondeln hebt sich über die Baumkronen und einen verwilderten Park hinweg. Das und noch das eine oder andere Relikt erinnern an Trubel, Lichter, Jauchzen, Rummelplatzstimmung.

Vom Aufstieg und Fall
Wir haben uns für eine Führung durch den Park angemeldet; eine der wenigen, die persönlich von der Pächtertochter Sabrina gemacht werden. Wir bekommen Besucher-Schilder angeheftet, die Lizenz zu fotografieren und tauchen ein in die Geschichte:
Der Spreepark nannte sich zu DDR Zeiten Kulturpark. Nach der Wende, übernahm ihn das junge Ehepaar Witte, investierte Millionen in die Umgestaltung und in Fahrgestelle. Und dann kamen die Probleme: durch den Senat verschuldet, führte die verspätete Vertragsunterzeichnung zu dreimal höheren Zinsen, die einkalkulierte Förderung im Rahmen des Projekts „Aufbau Ost“ wurde nicht ausgezahlt, der Plänterwald unter Landschaftsschutz gestellt und der Bau von notwendigen Parkplätzen verhindert. Das Konzept ein Preis für alle Attraktionen kam nicht an, die Besucher blieben aus.

Ab in den Westen
Liest man die Geschichte nach klingt alles nach einem unschlüssigen Post-Wende-Hick-Hack zwischen dem Berliner Senat, dem Land Berlin mit der Betreibergesellschaft. Aber trotz dass 2001 mit der Insolvenz die Lichter des Spreeparks erloschen, kam´s noch bunter. Während des laufenden Insolvenzverfahrens packte Vater Witte Kind und Kegel, sechs Attraktionen, die nicht zur Insolvenzmasse gehörten, darunter der fliegende Teppich und machte sich auf nach Lima, Peru. Der Versuch dort Fuß zu fassen, scheiterte. Mutter Witte ging mit den jüngsten Kindern zurück nach Deutschland, Vater und Sohn Marcel probierten es weiter. Mit Krediten über einen Bekannten; Kreditgeber: die Mafia.

Keine Höhenflüge
Dass mit der Mafia nicht Zucker-Schlecken ist, klar. Aber die Gringos Witte bekamen die Möglichkeit, Drogen nach Europa zu schmuggeln, um sich so freizukaufen. Die 180 Kilo Koks, versteckt im fliegenden Teppich, fielen der peruanischen Drogenfahndung dann aber doch auf. Zu diesem Zeitpunkt war Vater Witte in Deutschland für eine Herz O.P.. Sohn Marcel, damals 20, wurde festgenommen und mit 20 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Das war 2003. Und seitdem sitzt er.

Achterbahn
In Deutschland wurde unterdessen auch der Vater zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Aus der Haft wurde er 2008 vorzeitig entlassen. Ebenso aus der Ehe. Mutter und Tochter Witte kämpfen seit Jahren um eine Überführung von Sohn und Bruder. Auch Vater Witte überweist monatlich Beträge für eine bessere Zelle und Behandlung von Marcel, der vom ehemals verwöhnten Prince Porky zu einem stattlichen Gefängnisinsassen geworden ist. Und dann zahlen sie die peruanische Anwältin, die zumeist nur kassiert und nichts tut. Doch sie kämpfen weiter. Wenn Marcel es in dem Gefängnis schafft, dann schaffen sie es auch. „Ich bin eine deutsche Eiche“, so Sabrina, eine bewundernswerte Frau, die uns drei Stunden mit fester Stimme, pinken Lippen und Fingernägeln durch das Dickicht des Parks und ihrer Geschichte geführt hat. Mit ihr ist sicher auch nicht gut Kirschen essen, so ein Medienrummel mit Mutmaßungen und Vorurteilen färbt und härtet ab.

Und der Park
Der wurde aufgrund mangelnden Investoren-Interesse 2008 vom Insolvenzverwalter wieder an die Eigentümerin Mutter Witte zurückgegeben – die Vertragskündigung wurde nie akzeptiert. Seit 2009 gibt es die Führungen durch den schon fast vergessenen Freizeitpark. Ideen, ihm wieder seinem ursprünglichen Zweck zuzuführen, gibt es zu genüge. Doch wie so oft scheitert es an Finanzierung und Ämtern. Als Kulisse für TV, Film, Rave und sonstige Events dient er aber gern.

Von der Schönheit des Verfalls
Ich habe einen Faible für Verfall und die ihr innewohnende Schönheit. So habe ich den Spreepark überhaupt erst besucht. Klar liegt Schönheit im Auge des Betrachters, doch nach Thomas von Aquin ist Wahrheit und Schönheit ein und dasselbe. Bezogen auf menschliche Bauten ist nichts für die Ewigkeit, zu ihrer Zeit haben sie aber eine Daseins-Berechtigung und einen Zweck. Das ist meistens wahr. Und selbst wenn das schon lange zurückliegt, bewahren sich Orte wie der Spreepark einen Zauber. Zerfällt eine Familie ist das tragisch, schmerzhaft in der Erinnerung an die guten Zeiten. Doch gleichzeitig kann eine Liebe entfesselt werden und bewundernswerter Mut, um weiter zu machen. Und so schafft der Mensch schwierigste Wege. Das finde ich schön. Hoffentlich führt der Weg sie bald wieder zusammen, die Wittes.

Eine schöne Doku gibt´s für die, die sich nicht vor Ort überzeugen und im Cafe Mythos ein Sprudelwasser schlürfen können oder mal ein peruanisches Gefängnis von innen sehen wollen…