Shanghai ist eine große Stadt. Dementsprechend gibt es viele Geräusche. Verkehr, Mensch und Tier, sie alle produzieren, so dass in Summe eines bleibt: Lärm. Dennoch lohnt es sich, genauer „hinzusehen.“

Text: Mascha K. Horngacher
Foto: Clara Holleis

Klassisch ist der Verkehrslärm, wobei die Autos in Punkto Geräusch die Oberhand haben. Denn die Motorräder, von denen es eine Menge gibt, sind elektrobetrieben. Die Elektro-Mopeds gleiten futuristisch und leise an einem vorbei und manch chinesische Lenkerin wirkt mit ihrem langen, schwarzen Haar (keine Helmpflicht in China) und ihrer schlanken Gestalt wie vom Mond. Martinshörner tönen selten durch die Straßen, vielleicht alle zwei drei Tage einmal. Da könnt ich nachforschen, woran das liegt, denn die Dunkelziffer an Verkehrstoten in China lag 2009 bei knapp 70.000 – als würde die Bevölkerung einer ganzen Kleinstadt ausgerottet werden, das sollte doch für Tatütata sorgen.
Vom Autogehupe – Chinesen stehen Italienern hier in nichts nach – zum Menschen-Lärm: Chinesen können, ich wollt es anfangs nicht glauben, ein sehr lautes Organ haben. Selbst wenn vielleicht nur vom leckeren frischen Fisch gesprochen wird, klingt es teils wie Gekeife – Männer wie Frauen. Gegensätzlich, wie vieles in China, schallt ein monotones Angepreise von Produkten durch die Straßen. Der Ton liegt daran, dass der Satz in ein Megaphon gesprochen, gespeichert und im Dauer-Loop abgespielt wird. Weiters gibt`s schreiende Altwarensammler auf Fahrräder mit Anhängern, in deren Hand ein Glöckchen bimmelt.

Kindergeschrei, hysterisches Hundegebell und die Zikaden. Die Zikaden sind ein Hammer. Ich hatte so etwas noch nie gehört. Die sitzen in den Bäumen, und fangen auf irgendein Kommando alle gleichzeitig an zu “singen”. Zuerst zittrig, dann in der Lautstärke steigend und den Ton haltend – ewig, extrem laut. Das hat im Juni ganz plötzlich angefangen und vor wenigen Tagen unbemerkt und genauso plötzlich wieder aufgehört. Anfangs dachte ich, das wären die Klimaanlagen. Von Zikaden-Gesang zu sprechen, ist idiotisch.

Was ein wenig einsam und surreal klingt, ist das Schiffshorn, das immer wieder einen Weg vom Huangpu Fluss durch das Häusermeer findet.

Anfangs etwas irritierend ist ein zu jeder Tageszeit ertönendes Gekrache, so als würde ein Haus gesprengt. Doch wird dann nicht gesprengt, sondern geheiratet. Zum Wohl des Brautpaares werden vorm Standesamt Feuerwerkskörper in der Form eines Herzens in die Luft gejagt.

Generell kann man sagen, dass es die Chinesen gerne laut mögen. Aus jedem kleinen Laden und von jedem fahrbaren Stand wird man mit Musik in einer sich überschlagenden Lautstärke beschallt. Und das, wonach ich mich nach 4 Monaten Shanghai sehne ist: Stille. Wirklicher in Jean Pauls Worten: “Ich ärgerte mich über den Menschenlärm unter mir und konnte nicht eher schlafen, als bis ich wusste, es seien Pferde.”