Međugorje – ich war frech und wurde bestraft, nicht erleuchtet, aber auch nicht vom Blitz getroffen. Trotzdem ist Herzegowina vielleicht der Ort, um sich von Herzschmerzen zu kurieren.

Text und Foto: Mascha K. Horngacher

2014-06-21 06.29.11

Međugorje, 24. Juni 1981: Einer Gruppe junger Schafhirten des kleinen Orts zwischen den Bergen im Südwesten Bosnien-Herzegowinas erschien sie – die Mutter Maria. Sie sprach von Frieden und brachte damit einen bombastischen Pilgertourismus und eine Gebietssperre durch die Kommunistische Partei. Doch davon ließen sich Tausende Gläubige nicht abhalten, und so läuft das Marien-Geschäft nun seit 33 Jahren.

Bosnisches Braunschlag
Auch wenn die katholische Kirche die Erscheinungen der Gospa, Herrin, nicht anerkennt, pilgern fast eine Million Verehrer jährlich in das ehemalige Bauerndörfchen. So eine Marien-Erscheinung rollt den Rubel und es hat den Anschein, dass die meisten der 5000 Einwohner ihren Unterhalt damit verdienen: Souvenir-Shops, Unterkünfte, Bars und Restaurants. Im Grunde gibt es aber sonst nicht viel, eine karg wirkende Landschaft, die im Osten vom innerbosnischen Grünland und im Osten vom Mittelmeer durch Bergen getrennt ist.

Der Weg ist das Ziel
Međugorje besuchte ich, da in meiner Familie viele Frauen Maria heißen, auch ich, nur auf Russisch (Maschenka! riefen freudestrahlend meine bosnischen Bekanntschaften). Und da der Marien-Glaube einen besonderen Stellenwert hat, dachte ich mir mal schauen, was Mother Mary zu meinem Herzschmerz sagt. Der Einstieg in das Spektakel war ein Morgenkaffee in einem für bosnische Verhältnisse überteuerten Straßencafé. Der Anblick, der sich bot, war fast ein wenig fad: die dörfliche Sonnenlichtdurchflutete Hauptstraße, an der sich ein Shop neben den anderen reiht, wenige Pilger und Reisegruppen. Langweile und überteuerte Preise ließen mich nach Aktion suchen, oder meinem Seelenheil.

MIR und Conchitas Bart
So landete ich in der italienisch-sprachigen Messe und beim Beginn einer Reihe von Freveltaten und Gedanken. Ich war hochmütig, frech und habe gezweifelt.
Ob die Marien-Erscheinung wahr ist, stellte ich nicht in Frage, entweder man glaubt oder eben nicht. Was ich aber in Frage stellte, war der zelebrierte Glauben einiger Wallfahrer. Die Italienerinnen rund um mich bekreuzigten sich, sagten und sprachen alles vorbildhaft mit, gingen in die Knie, standen auf, immer dann, wann sie sollten. Und dann beim Pace-sei-mit-dir schauten sie sich und mir nicht in die Augen. Wie soll Frieden geschlossen sein, wenn das Gegenüber nicht gesehen wird? Ich urteilte streng mit scheinheilig. Ich verurteilte auch die Weiber, die sich in ihrer Frömmigkeit versuchten zu übertrumpfen, es fehlte nicht viel und sie hätten sich mit Ellenbögen ihren Weg nach vorne in die Kirche geboxt.

Mercedes und Blitzschlag
So habe ich ge- und verurteilt und mehr: meiner airbnb-Host-Familie unterstellte ich, hysterische Hillbillies zu sein, die es auf meine Organe abgesehen haben (wir guckten später gemeinsam bei Kaffee und Keksen leidenschaftlich eine Bollywood-Serie – mit kroatischen Untertiteln), die Franziskaner verwechselte ich mit den Benediktinern, und während die Kirchengemeinde ein Il Signore trällerte, sang ich still für mich Janis Joplin „Oh lord wont you buy me a mercedes benz…“ (die Mercedesrate nimmt ab der slowenischen Grenze bemerkenswert zu). Am spitzsteinigen Kreuzweg den Kreuzberg hinab, habe ich dann auch noch gezweifelt. Ein Gewitter rauschte über mich hinweg und ich hatte den Gedanken, vom Blitz getroffen zu werden. Ich stellte mir das als einen spektakulären Tod vor, den einer mal nachmachen müsste, das lenkte mich vom sicheren Schritt ab und ganz knapp wäre ich auf einem nassen Stein ausgerutscht. Da ich das aber überlebte, konnte ich es später nicht lassen, Mutter Maria einen Conchita-Wurst-Bart zu zeichnen, der ihr übrigens außergewöhnlich gut steht.

Steine sind zum Stolpern da
Doch ich sollte mir weder das Genick brechen, noch von einem Blitz getroffen oder mit der Erleuchtung beglückt werden. Ich durfte wachen, die ganze Nacht, bevor ich die vierzehnstündige Busfahrt antrat. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht demütig die Zeit genützt hätte für eine Erkenntnis: Nicht zweifeln, sondern vertrauen und mutig weitergehen, dann kommt man auch an. Und schlussendlich kam ich an, nach wachen 38 Stunden hundemüde in meinem Bett in Wien.

mother