Das Wörthersee-Treffen – Saison-Opening, Inspirationsquelle, Treffpunkt Gleichgesinnter, Sodom und Gomorra. Eine Materialschlacht zum dreiunddreißigsten Mal: Gummi, Carbon-Folie, Tschick und Hopfen.

Text: Mascha Horngacher
Fotos: Bernhard Wolf


Wir brettern im Speed-Boot über den blauen Wörthersee und ich frage mich, was ich außer getunten Golfs und gemeinhin Proleten erleben werde. Es ist ein idyllisches Reifnitz am See, das zu späterer Stunde ziemlich mitgenommen wirken wird. Aber für`s Wohl der Region – das Happening schwemmt in wenigen Tagen Millionen in Kärntens Kassen. Dennoch droht die Kultusgemeinschaft abzuwandern – nach Faak am See.

Das Geschäft mit der Wallfahrt
17 bis 20 Millionen sei der wirtschaftliche Gewinn laut Adi Stark, Bürgermeister von Maria Wörth. Bei dieser Summe scheints, dass den Anrainern schon etwas zugemutet werden darf. Dieses Etwas sind 150.000 Besucher und verwandelt den Ort in eine rundum beschallte Tuning-Messehalle, Partymeile und bietet um 21.30 Uhr einen Haufen Besoffener und zwei Go-go Girls. Vormittags aber bot sich bei Vogelgezwitscher eine verschlafene Festivalstimmung: Jung, Alt, Familien, Männer mit heißeren Stimmen und roten Augen, gechillte Grüppchen in Campingsesseln, die am Straßenrand auf Inspirationen am GTI-Himmel warten.

Das Wesen: Kult minus Opfer
Und sie warteten. Denn die wahren GTI-Perlen waren die Wochen davor am Faaker-See zu bewundern. Denn dorthin hat sich das inoffizielle Treffen verlagert. Als Boykott der Ballermann-Stimmung, dem seit ein paar Jahren vermehrten Polizeiaufgebotes und überhöhten Preisen in der Gastronomie. Den richtigen GTI-Jüngern geht es darum, unter die Haube zu schauen und zu zeigen, was über den Winter getunte wurde. Bei ihnen heißt es „sehen und gesehen werden“, wohin ihr Erspartes geflossen ist. Dass die Wertanlage nicht alkoholisiert um einen Baum gewickelt werden soll, ist demnach verständlich und spricht für die Unterscheidung von den Party-People.

Symbol-Kraft
Tuning ist Individualisierung, so Tuning-Experte Lars, trotzdem gibt es Trends. Tief, breit und schlicht ist das Trias 2014. Tuning ist aber auch die Perfektion der Motorsteuerung und somit ein Sicherheitsfaktor. Aber Tuning fängt ja nicht nur beim Motor an und hört mit einer Carbon-Folie am Dach auf. Da gibt es diese Sticker mit interessanten Sprüchen und Symbolen, die so einige Heckscheiben zieren.

Das Unding mit dem Sex
Die sexuelle Komponente ist beim Spektakel nicht zu übersehen. Die Anziehungskraft von heißen Motoren und mehr oder weniger heißen Kurven ist offenkundig. Es scheint, als träfen des Menschen urige Begehren aufeinander: Stärke und Sex. Das Auto als Werbemittel und die Frau als Bewerbungsmittel – das eine Ei legt das andere. Sollte es aber mit der sexy Beifahrerin in natura nicht klappen, konnte man(n) vor Ort eine aus Pappe kaufen – günstig und in blonder, brünetter oder dunkler Ausführung.

Beweihräucherung
Der Action-Faktor bei einer Veranstaltung über starke Motoren und Geschwindigkeit gehört dazu. Dafür sorgen Bernd und seine Künstler auf der Hauptbühne: Emils Gummi-Gummi Show, sexy Car-Wash, Gummishow mit VW Positiv Infiziert und die Schweizer Gummizei & Frauenärzte. Ja, das klingt nicht nur vielversprechend: rauchende und explodierende Reifen, heiße Motoren und Seifenschaum. Motorsport-TV-Ikone Jean-Pierre Krämer geleitete durch das Rahmenprogramm, bis zur abendlichen Feuerschau. Es war Mad Max und Blade Runner, die absolute Material-Schlacht und zwischen drin Stunts von Weltmeistern. Ein PS-starker Zirkus, hinter dem Männer stecken, die mit Herzblut bei der wahren Sache sind: Stärke und Geschwindigkeit.

Nach zwei Tagen Wörthersee-Treffen ist eins gewiss: Wir kommen wieder – dann zwei Wochen früher.

Vom diesjährigen Erlebnis habe ich auch auf Vice Online berichtet. Hier.